Kunst als Brückenbau – Fotografie zwischen Innen und Außen
Ein Essay über Gnostik, Hermetik, Alchemie, Rosenkreuzer, Kabbala und die moderne Zeit
Einleitung – Wie dieser Text entstanden ist
Der Anlass für diesen Beitrag ist die Planung meiner nächsten Ausstellung.
Während ich meine Arbeiten prüfe, ordne und neu zusammenstelle, öffnen sich Gedanken, die über die reine Bildauswahl hinausgehen.
Es ist, als würden die Fotografien selbst etwas sichtbar machen, das zuvor nur unbewusst in mir gearbeitet hat.
Je tiefer ich in diesen Prozess eintauche, desto stärker spüre ich,
dass Kunst Verbindungen berührt, die mit Kunst vielleicht weniger zu tun haben, als es zunächst scheint.
Beziehungen zwischen Innen und Außen, zwischen Form und Bedeutung,
zwischen Zahl und Symbol, zwischen Mensch und Welt.
Aus dieser inneren Bewegung heraus ist dieser Text entstanden.
Dabei sind Gedanken zusammengekommen, die mich selbst überrascht haben.
1. Gnostik – Was liegt hinter dem Sichtbaren?
Die Gnostiker stellten eine einfache Frage:
Was liegt hinter dem, was ich sehe?
Diese Frage begleitet jede Fotografie.
Ein Bild zeigt eine Form – und zugleich etwas, das man nicht direkt benennen kann:
Stimmung
Erinnerung
Spur
Gefühl
Bewegung im Inneren
Fotografie macht sichtbar, was sonst nur empfunden wird.
Sie ist damit ein gnostischer Prozess in moderner Form.
2. Hermetik – „Wie innen, so außen“
Der wichtigste hermetische Satz lautet:
„Wie innen, so außen.“
Ein Foto entsteht nicht allein aus Technik.
Es entsteht aus:
Wahrnehmung
Intuition
Erfahrung
einem inneren „Jetzt“
Der Mensch hinter der Kamera erfasst Bedeutung –
die Kamera erfasst Licht.
Beides zusammen erzeugt ein Bild, das Innen und Außen verbindet.
3. Alchemie – Fotografie als Verwandlung
Alchemie meint Wandlung —
und genau das geschieht in der Fotografie:
Licht verwandelt Dunkelheit
Bewegung verwandelt Form
Auflösung verwandelt Realität
Ein Moment verwandelt Alltag in Bild
Die Verwandlung geschieht nicht im Labor,
sondern im Blick des Fotografen.
4. Rosenkreuzer – Die Humanität der Kunst
Der rosenkreuzerische Gedanke war nie eine Flucht aus der Welt.
Er war ein humanistisches Konzept:
der Mensch in seinem Werden.
Kunst berührt diesen Gedanken direkt:
Sie führt Menschen zusammen
schafft Räume des Verstehens
ermöglicht Begegnung
verbindet Menschen über Wahrnehmung statt über Meinung
Ein Bild zwingt nichts auf – es öffnet.
5. Kabbala – Zahl, Symbol und Komposition
Die Kabbala verbindet Zahl und Bedeutung.
Auch die Fotografie tut das:
ISO, Blende, Zeit → Zahlen
Licht, Schatten, Farbe → Symbole
Komposition → Verhältnis
Stimmung → Bedeutung
Ein Bild ist damit eine kabbalistische Einheit:
Zahl wird Bedeutung, Verhältnis wird Gefühl.
6. Esoterik – Die innere Entscheidung des Fotografen
Esoterik ist nichts Mysteriöses.
Es bedeutet schlicht: das Innere.
Und genau dort entsteht jede Fotografie:
im Empfinden
im inneren Maß
im Gefühl für den Moment
in der Entscheidung, wann der Auslöser fällt
Deshalb gilt:
Jeder Mensch, der Entscheidungen trifft, ist ein Esoteriker.
Und jeder Fotograf erst recht.
7. Exoterik – Die äußere Form
Exoterik bezeichnet die sichtbare Seite.
In der Fotografie ist das:
Komposition
Rhythmus
Lichtführung
Farbe
Wirkung im Raum
Esoterik ist der Ursprung.
Exoterik ist die Gestalt.
Beides zusammen ergibt Kunst.
8. Zwei Ebenen – ein Prinzip
Alle angesprochenen Strömungen —
Gnostik, Hermetik, Alchemie, Rosenkreuzertum, Kabbala —
unterscheiden sich im Inhalt,
aber sie teilen ein Grundprinzip:
Innen und Außen gehören zusammen.
Gnostik: Erkenntnis → Bild
Hermetik: Inneres → Entsprechung
Alchemie: Wandlung → Form
Rosenkreuzer: Entwicklung → Symbol
Kabbala: Zahl → Struktur
9. Die heutige Zeit – das Übergewicht des Äußeren
Wenn ich an die heutige Zeit denke, erlebe ich sie als eine exoterisch überladene Epoche:
Sichtbarkeit zählt mehr als Sinn.
Geschwindigkeit mehr als Reife.
Information mehr als Erfahrung.
Zahl mehr als Symbol.
Darstellung mehr als Wandlung.
Der Mensch wird zur Oberfläche, und das Innere verstummt.
Die alten Strömungen würden sagen:
Das innere Maß fehlt.
Die Kamera im Smartphone – ein Zeichen der Zeit
Die Fotografie hat es bis in das Mobiltelefon geschafft.
Das ist, wie ich finde, bemerkenswert.
Warum die Kamera – und nicht ein Farbmalkasten, Kohlestifte oder Aquarellpapier?
Vielleicht, weil der Wunsch nach Sichtbarkeit
heute stärker ist als der Wunsch nach Vertiefung.
Fotografie ist die exoterischste Form des Ausdrucks:
Sie zeigt sofort, was innen noch keine Zeit bekommt, sich zu setzen.
Ein Foto ist schnell,
ein Bild mit der Hand ist langsam.
Der Stift zwingt zur Ruhe.
Die Kamera bietet Geschwindigkeit.
Unsere Zeit hat sich für Geschwindigkeit entschieden.
Diese Zeilen sind keine Wertung –
nur eine Beobachtung darüber,
welche enorme Kraft Fotografie heute hat.
10. Der Mensch, der sucht
Ich bin ein Mensch, der sucht.
Nicht rastlos – aber wach.
Ich sehe selten nur das, was geschieht,
sondern oft die Bewegung dahinter.
Vielleicht ist die Fotografie deshalb kein neuer Abschnitt.
Vielleicht ist sie das erste Mal,
dass ich tue, was ich immer war.
11. Fotografie und Kunst als moderne Brücke
Fotografie verbindet Ebenen, die heute getrennt erscheinen:
Innen und Außen
Zahl und Symbol
Wahrnehmung und Form
Moment und Struktur
Mensch und Welt
Eine Aufnahme entsteht aus einer inneren Entscheidung (Esoterik)
und zeigt sich in einer äußeren Form (Exoterik).
Sie trägt Wandlung und Bedeutung in sich
und wird zum Punkt, an dem Innen und Außen sich begegnen.
Und genau das macht Kunst aus.
Sie schafft:
Übergänge statt Grenzen
Begegnung statt Spaltung
Tiefe statt Oberfläche
Kunst baut keine Mauern.
Kunst baut Brücken.
Leise.
Präzise.
Menschlich.
Schlusswort
Die Fotografie wirkt heute unmittelbarer denn je.
Vielleicht ist sie genau das,
was unsere Zeit braucht:
Einen Moment,
in dem Innen und Außen
für einen Augenblick
zur selben Linie werden.
Carlos Vicente de la Plaza – zeitlichtundfarbe
Bleiben wir in Verbindung –
Licht verändert sich, Gedanken auch.
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